Vietnam Ankunft
Hanoi, vormittags um zehn in der Schlange zum Visumsstempel. Eigentlich hätte es erst um acht sein sollen und wir alle noch viel verschlafender, aber glücklicher Weise stand unser Flieger noch in Deutschland, ohne überhaupt einmal den Boden verlassen zu haben, über 1 ½ Stunden auf dem Rollfeld herum und ließ auch den letzten flugsicheren Gast über eventuelle Probleme mit dem Flugzeug spekulieren. Nach 1 ½ Stunden dann die erlösende Aussage vom Kapitän, dass der BER nicht fähig sei den Flugverkehr zu koordinieren und wir deshalb im „Stau“ standen. Ich glaubte ihm und lehnte mich zurück. Ein Glück hat am BER auch niemand vor mehr als die jetzigen Flieger in den Himmel zu schicken.
Zurück zur Schlange. Die Ankunftshalle ist voll. Nichts bewegt sich. Menschen fangen an wie wild in den Reihen herum zu switchen, in der Hoffnung, dass an deren Ende jemand sitzt, der etwas schneller Stempel verteilt. Viele, die geschäftlich unterwegs sind, haben sicherlich noch mehr Druck, nachdem wir erst zwei Stunden später als geplant gelandet sind. Meine sorge ist weniger die Zeit, als mehr der Gedanke, was ist, wenn ich nicht hereingelassen werde ins Land. De facto habe ich nichts außer meinem deutschen Reisepass, der mich seit neuestem dazu befähigt für zwei Wochen, auch ohne Visum, nach Vietnam einzureisen. In der Regel mit einem Nachweis, dass man das Land auch wirklich vorhat wieder in zwei Wochen zu verlassen. Zwar habe ich das vor, aber beweisen kann ich es nicht. Ein Rückflugticket gibt es nicht und das Visum für Laos gibt es an der Grenze. In der Reihe zu meiner Linken erspähe ich ein deutsches Pärchen, welches auch ohne Visum angereist ist. Beide wirken entspannt. Ich beschließe mich langsam und allmählich in die Linke reihe einzuschleusen. Zwar stehe ich in der meiner Meinung nach vermeidlich richtigen Reihe, einer von zwei Reihen mit dem Hinweis „foreigners“, aber vor mir stehen ausschließlich Vietnamesen, während die eindeutig nicht asiatisch aussehenden Menschen in die übrigen reihen verteilt sind. Nach etwa einer halben stunde und zehn Metern Fortschritt, stehe ich in der weniger asiatischen Reihe und beobachte, wie das deutsche Pärchen seine Stempel bekommt. Der Zollbeamte sagt kein Wort. Bei beiden nicht. Demnach hat er auch nicht nach einem Ausreisenachweis gefragt. Von jetzt auf gleich fühle ich mich besser.
Weitere zehn Minuten später erhalte auch ich meinen Stempel. Keine Fragen, kein nix. Nun bin ich offiziell in Vietnam.
Vor dem Flughafen tummeln sich die Taxifahrer und versuchen frischen Touristen vermeidliche Schnäppchen aufzuschwätzen. Wenn es eine Konstante in der Welt gibt, dann diese.
Mehrere Taxifahrer versuchen mir zu erklären, dass ihr Minivan der Linienbus Nummer 86 sei. Als ich ihnen die zwei Dollar zeige, die der Bus kosten soll, ändern sie meist schnell die Meinung und rufen schon nach dem nächsten Kunden herbei.
Im Bus 86 setzte ich mich nach ganz hinten. Eine junge Frau geht durch die Reihen, sammelt die zwei Dollar für die Fahrt ein und verteilt Prospekte auf denen die Reihenfolge der Haltestellen stehen. Keine ist in annähender Nähe zu meinem Hotel. Ich lehne mich zurück und gucke aus dem Fenster. Der Verkehr schaut hektisch aus. Die Vorstellung, dass ich bald schon ein Teil davon sein werde missfällt mir.
Letzte Station, Hauptbahnhof, ich muss aussteigen. Von hier aus sind es etwa fünf Kilometer bis zum Hotel. Fünf Kilometer Chaos.
Ich beschließe kurz auf dem Bürgersteig zu verweilen und den Verkehr zu beobachten. In verschiedenen Reiseführern habe ich davon gelesen, dass der Verkehr in Hanoi sehr eigen sei und tatsache kann ich kein wirkliches System erkennen. Zwar halten sich die Autos im groben an dem was wir Verkehrsregeln nennen, nur sind diese in der eindeutigen Minderheit. Auf ein Auto kommen sicherlich nicht nur gefühlt etwa 30 Mopedfahrer. Für diese scheint der Begriff Verkehrsregeln keine weitere Bedeutung zu haben. Rote Ampeln, Gegenverkehr, Abbiegen, jeder fährt als wäre er alleine auf der Straße und dennoch funktioniert es. Niemand beschwert sich. Es wird zwar ununterbrochen gehupt, aber im Gegensatz zu Deutschland, wo hupen dem Ausspruch „hey du Arschloch!“ gleichzusetzen ist, heißt es hier nur „Vorsicht, hier komme ich“.
Mein Problem ist jedoch erstmal nur die Straße zu überqueren, denn ich benötige Geld und gegenüber ist ein ATM sichtbar. Das Warten auf eine rote Ampel kann ich mir sparen. Der Mopedstrom wird nie abreißen. Also mache ich das was in den Reiseführern als einzige Variante beschrieben wird und laufe einfach los auf die stark befahrene Straße. Ich fühle mich wie ein Objekt, das in einem Windkanal gehalten wird. Die Mopeds bilden einen Strom der mich umgibt, aber nie berührt. Das alles funktioniert super, so lange man nur eine Regel beachtet. Nicht stehenbleiben! Ich vertraue darauf und zwinge mich die Straße in einem ruhigen, aber kontinuierlichen Tempo zu überqueren. Angelangt auf der anderen Straßenseite bin ich etwas Stolz auf mich.
Im Hotel nehme ich mir vor nicht schlafen zu gehen und dem jetlag entgegenzuwirken und einfach abends zur geregelter Zeit schlafen zu gehen. Aber kurz kann man ja mal gucken, wie sich das Bett so liegt. Vier Stunden später stehe ich wieder auf. Was zu essen muss her und das schnell. Ich stopfe mir ein Paar Geldscheine in die Hosentasche und laufe los.
In der ersten Querstraße scheint viel los zu sein. Ich biege ein. In einem Imbiss sehe ich viele Leute pampig geratene Röllchen in sich hineinstopfen. Ich bestelle mir auch ein Paar. Bis heute ist mir nicht klar, was das eigentlich war. Irgendwas aus Reis schätzungsweise. Es schmeckte großartig.
Ich schlendere noch ein wenig durch die Straßen, vorbei am B52 Museum, vor dessen Eingang verschieden Kriegsmaschinerien aufgereiht sind, sowohl wie auch eine mehr oder weniger vollständig zusammengepusselte, abgeschossene, B52. Der Anblick ist verwirrend. Eigentlich wirkt hier rein gar nichts als wäre das hier noch vor knapp 40 Jahren ein Kriegsschauplatz gewesen und nun das. Die Tafeln an den einzelnen Wrackteilen geben Auskunft darüber in welchem Stadtteil die Teile zusammengetragen wurden. Nicht unweit vom Museum entfernt liegt noch ein letztes, verbleibendes Teil im Huu Tiep See. Der Bomber wurde am 27. Dezember 1972, während des sogenannten „Christmas Bombing“ Einsatzes der Amerikaner, vom Himmel geholt. Das Flakgeschütz welches den entscheidenden Treffer erzielte steht gegenüber vom Wrack.
Mit gemischten Gefühlen schlendere ich wieder zurück ins Hotel und gehe pennen.