Ein Moped muss her!

 

Auch wenn ich den Luxus des Autofahrens in Europa lassen musste (zunächst), soll das eigen bestimmte Reisen dennoch nicht aufgegeben werden. Die einzige, zwar immer noch nicht legale, aber zumindest unkritischere Variante ist ... ein Moped! In vielen Reiseberichten wird gesagt, dass es in Hanoi sehr einfach wäre ein Moped zu kaufen und dass es hier auch günstiger sei als in Ho Chi Minh City. Ein Blick auf die in den Reiseberichten genutzten Motorräder und ein Blick aus dem Fenster zeigt jedoch, dass niemand der Vietnamesischen Landsleute mit solchen Motorrädern unterwegs ist. Gut, die Frage eines Weshalb lässt sich schnell beantworten, diese Motorräder sind eigentlich ganz schöner Müll und Vietnam hat nun langsam doch den Sprung zu einem erste Welt Land geschafft, welcher sich am spürbarsten in der Mobilität aufzeigt. Es gibt sicherlich noch reichlich Ausnahmen, aber ein Großteil der motorisierten Vietnamesen ist auf modernen, designmäßig der Zeit angepassten Rollern unterwegs, die alle vernünftig klingende Motoren und vernünftig funktionierende Bremsen haben. Doch sind diese zum Reisen praktisch? Keineswegs! Einen vernünftigen Gepäckträger für großvolumige Rucksäcke gibts es nicht und bis man die Möglichkeit hätte einen solchen anzuschweißen, müsste so viel Plastik von dem Roller entfernt werden, dass von diesem kaum noch etwas vorhanden wäre. Von den häufig kleinen Rollerrädern, die in keinem vernünftigen Größenverhältnis zu den ländlichen Schlaglöchern stehen, mal ganz zu schweigen. Für den innerstädtischen Verkehr mehr als ausreichend, für mich leider keine Option. Hier nun also wieder die Frage, was ist bei den alten, ursprünglichen Mopeds zu beachten?

Diese in den Reiseberichten häufig genutzten Mopeds laufen unter der Bezeichnung Honda Win. Tatsache schien Honda von 1986 bis 2005 ein solches Moped produziert zu haben. Diese sind inzwischen jedoch sehr selten geworden und kosten je nach Zustand auch ein kleines Vermögen. Laut einer Vietnamesischen Moped-Website sind etwas 99 % der bei Mopedhändler angebotenen Honda Wins chinesische Nachbauten. Dies soll auch allgemein für die meisten Roller mit dem Aufdruck Honda zutreffen. Wie viele auf der Straße rumfahrende Hondaroller jemals ein Hondawerk von innen gesehen haben, ist fragwürdig.

Auch wenn mir der Gedanke sonst nicht behagen würde, auf einer billigen chinesischen Kopie eines eh schon ursprünglichen billigen Gefährts zu reisen, haben diese chinesischen Kopien zumindest in Vietnam und wahrscheinlich auch in den angrenzenden Nachbarländern einen entscheidenden Vorteil, jeder kann sie reparieren und es gibt überall Ersatzteile.

Schnell lassen sich im Netz verschiedene Mopedhändler für sogenannte Honda Wins ausfindig machen. Alle sind am gefühlten anderem Ende der Stadt. Am dritten Tag nach meiner Ankunft laufe ich früh morgens los, Richtung Mopedshopping, mit der Absicht diese weite Strecke nicht wieder zurücklaufen zu müssen.

Angekommen im gefühlten anderem Ende Hanois verstehe ich weshalb die Mopedhändler hier zu finden sind und nicht in meinem Teil der Stadt. Etwa jeder zweite Mensch hier auf der Straße ist definitiv kein Asiate. Dies scheint der Touriteil Hanois zu sein. Von hier an freue ich mich noch mehr darüber nicht hier zu wohnen und vor meiner Haustür ein wirkliches Hanoi kennen lernen zu dürfen.

Nun sind sie vor mir, die Mopedläden mit den ominösen „Honda“ Wins. Die Auswahl ist jedoch nüchternder als im Internet angepriesen. Augenblicklich muss ich an Volker Pispers denken, der einmal zur mangelnden Wahlbeteiligung der Harz vier Empfänger sagte, dass er diese durchaus nachvollziehen kann, weil sich ihnen nur Scheiße in verschiedenen Geschmacksrichtungen präsentiere. So ähnlich ist es hier grad.

Ich lasse mir zwei Wins zeigen. Die eine ist in einem halbwegs akzeptablen Zustand, die andere ist eigentlich schrott. Ich beschließe die Erstere probe zu fahren. Schnell zeigt sich, dass die Simson S50, auf der ich kurz vor meiner Abreise noch erste Fahrübungen nehmen durfte, von erhabener Qualität sein muss, dieses Gefährt hier eher nicht. Das Fahrwerk ist grauenhaft! Ich kaufe es.

 

Mit dem kleinsten Helm der sich finden ließ und mir immer noch zu groß ist, fahre ich zurück Richtung Hotel. Glücklicher Weise habe ich vorbereitend extra meinen eigenen Helm aus Deutschland mitgebracht. Die Fahrt ist holprig und eng, aber wenn man einmal den irrsinnigen Verkehr verstanden hat, oder ihn zumindest akzeptiert, läuft das eigentlich ganz gut. In Berlin wäre bei gleicher Verkehrsteilnehmerzahl kein Vorankommen möglich. Unter Einhaltung aller Regeln würden sich wohl riesige Staus bilden. Da Verkehrsregeln hier nur zweitrangig sind, wenn überhaupt, ist das eigene Vorankommen eigentlich nur von einer entsprechenden Aufmerksamkeit und einem gesunden Selbstbewusstsein abhängig. Der Rest ist Freistil! Am Hotel angekommen wird der vietnamesische Helm meine erst gute Tat am Tag und ich schenke ihn dem ersten helmlosen bedürftigen, der mir über den Weg läuft (fährt). Der Mann lächelt und bedankt sich. Ob er den Helm wirklich benutzen wird ... wer weiß.