Ein Ticket nach Sapa bitte!

 

Seit der Entschluss gefasst war nach Vietnam zu reisen, wollte ich unbedingt in den hohen Norden um dort die berühmten Reisefelder von Sapa zu fotografieren. Einige Tage blieben mir noch in Vietnam und so beschloss ich einige von diesen an diesem sagenumwobenen Ort zu verbringen. Le, die freundliche Homestaybetreiberin aus Halong, hatte mir empfohlen in einem der umliegenden Dörfer nach dortigen Homestays zu suchen. Dies sei zwar nicht viel Preiswerter als ein Hostel direkt in Sapa, jedoch bekommt man ein Gefühl für das wirkliche Leben der Leute dort, abseits vom Tourismus. Schliesslich war es ja genau das was ich suche. In Ta Phine, einem kleinen Dorf, auf einem der Hänge, bin ich dann fündig geworden. Vielerorts ist Reservieren über eine Anfrage per Mail gleichzusetzen mit einer Anfrage per Briefpost. Völlig überholt. Auf den Homepagen gibt es Formulare, die dann alles automatisch abwickeln, oder man bucht gleich über eine Seite wie booking.com. In Ta Phine ist das anders. Zwar ist eine Kontaktmöglichkeit über Mail angegeben, tatsache braucht man sich davon aber nicht alzuviel erhoffen, da dies beinhaltet würde, dass es in Ta Phin Internet gäbe. Um es vorweg zu nehmen, häufig gibt es dort nicht einmal Strom. Irgendwie war es dann aber doch möglich eine halwegs akzeptable Telefonverbindung herzustellen und so konnte ich mich über diesen Weg schon einmal ankündigen. Nun noch schnell ein Ticket für das Moped und mich für den Nachtzug, weil man ist ja bequem, und dann kann die Reise auch schon Losgehen. Ein Ticket für mich war schnell gefunden. Für das Moped sah es jedoch weniger einfach aus. Auf den Buchungsseiten ist von der Mitnahme von Motorrädern keine Rede. Dass es doch möglich sei, betätigen jedoch einige Foren, in denen sich wie immer auch die Horrorgeschichten stapeln. Nun weiß ich, dass die Mitnahme des Mopeds unter anderem Teuer werden kann und dass es sehr wahrscheinlich ist, dass das Moped in einem anderen Zug fahren wird und nicht unbedingt Zeitnah mit mir dort eintreffen wird. Wenn überhaupt. Immer mehr wäge ich nun doch ab, mit dem Moped die 500 Kilometer bis nach Sapa zu fahren. Letzendlich kaufe ich aber das Zugticket für den King Express und fühle mich dort gleich ebenwürdig aufgenommen. Zumindest ein wenig, denn im Grunde war es nur einer der günstigsten Züge.

Das Ticket konnte ich dann am Nachmittag vor der Abfahrt ganz bequem in der Nähe vom Bahnhof abholen. Sogar mein Hinweis mit dem Motorrad wurde bei der Ticketreservierung berücksichtigt. Glücklicher Weise könne mein Moped sogar im selben Zug mitfahren. Ich müsste es nur schon eine Stunde vor Abfahrt am Bahnhof abgeben, damit ausreichend Zeit bliebe es für den Transport vorzubereiten. Das Ticket für das Moped wird dann am Bahnhof direkt gekauft. Also bisher alles sehr unkompliziert.

Mit meinem Ticket in der Hand fahre ich wieder zurück zum Hostel und überlege was ich mit der restlichen Zeit bis zum Abend noch alles anfange. Essen! Essen kommt immer gut!

Schräg gegenüber vom Hostel hat ein netter schüchterner Herr einen kleinen Imbiss in sein Haus gebaut. Zu essen gibt es alles was das Reichlich hergerichtete Buffet zu bieten hat. Ok, man kann sich nur eine Portion nehmen, aber die Teller sind riesig.

Nachdem man unglaublich viel, unglaublich leckres Essen in den eigenen Koerper geschoben hat, kommt zwanglaufig irgendwann der Moment, an dem man all das auch bezahlen muss. Wäre der nette Mann etwas weniger nett und etwas mehr geschäftstüchtig, hätte er durchaus sehr gutes Geld an einem Touristen wie mir verdienen können, aber jedes mal, wenn ich dort Ass, wollte er immer nur umgerechnet 1,20 Euro von mir haben. Weil es immernoch sehr wenig ist, gab ich ihn in der Regel zwei Euro und er guckte mich jedes Mal beschämt an, als hätte ich ihm grad all meinen Reichtum übertragen. Insgesammt lässt dies einem aber trotzdem erahnen, wie wenig viele, vielleicht sogar die Meisten, verdienen und zum leben Haben.

Die Zeit ruft. In einer halben Stunde sollte ich am Bahnhof sein um das Moped abzugeben. Im Grunde eigentlich kein wirklicher Stress. Es sind knapp fünf Kilometer bis zum Bahnhof und ich habe ein Moped. Jedoch, man weiss nie, es ist Rush hour, das ist immenoch Vietnam und was ist das (?!) weshalb hat mein Moped hinten nen Platten?!

Kein Stress, um die Ecke ist nen Mopedshop. Hingeschoben, angekommen, der macht grad zu. „Hey, noch nicht, ich habe hier nen Problem!“. Er sieht mein Moped und die Angst in meinen Augen und das Portemonnaie in meiner Tasche, überlegt kurz und macht anschliessend den Laden wieder auf. Ein zwei Fix ist das Hinterrad ausgebaut und der Kaputte Schlauch freigelegt. Ventil abgerissen! Na besser hier als in den Bergen. Sein prüfender- und verkäuferische Blick weist mich auch auf meinen recht abgefahrenen hinteren Reifen hin. Eigentlich hat er ja recht, in den Bergen könnte nen neuer Reifen schon von Vorteil sein und schliesslich soll das Moped ja noch durch Laos fahren. Ach was solls, ja, auch den Reifen neu. Der Verkauefer nickt, steht auf, setzt sich auch sein Moped und verschwindet. Nun stehe ich da, in zwanzig Minuten muss ich ein Moped abgeben, das vor mit zerpflückt und in seinen Einzelteilen liegt und der einzige Mensch, der einen Überblick über all das Werkzeug hier hat, ist soeben abgehauen, ein Teil besorgen, dass er mir zwar verkauft, aber garnicht besessen hat. Na super!

Wahrscheinlich waren es nur fünf Minuten, bis der Shop Besitzer wiederkam. Mir kam es sehr viel Länger vor. Aber er hielt Wort. In windes Eile zog er den nagel neuen Stollenreifen welches mein eh schon schwarzes Moped auf einmal noch viel cooler schwarz wirken lies auf die natürlich ebenfalls schwarze Felge, setzte den neuen Schlauch ein und fertig war die kleine Höllenmaschine. Wie viel so kleine Details bewirken können ist schon faszinierend. Mit neuem ungeahnten Coolnisfaktor zog ich los Richtung Bahnhof. Neben all den Rollern war mein Moped eh schon immer sehr auffällig. Viele beäugten mich, wahrscheinlich innerlich lächelnd, jetzt aber hatte ich einen neuen Reifen, mit riesiegen Stollen, in der Stadt! Wenn sie nun guckten, dann sicher aus Neid! So dachte ich.

Ich weiss nicht ob es an dem neuem Reifen lag, also wahrscheinlich ja, denn ich erreichte den Bahnhof pünktlich auf die Minute. Letztendlich sogar nach vietnamesischen Maßstäben zu pünktlich, denn so richtig wollte eigentlich noch keiner Mopeds vorbereiten für einen Zug der doch erst in einer Stunde abfährt. Kommen sie mal in 15 Minuten wieder.

Das warten sollte sich lohnen. 15 Minuten später kam auch eine junge Vietnamesin mit ihrem Roller zum Kassenschalter gelaufen. Obwohl ich eindeutig vor ihr ankam ließ ich ihr natürlich den Vortritt. Sie freute sich, bedankte sich und ich fragte sie anschließend, wie viel sie denn für den Transport ihres Rollers bezahlt hätte. Die Kassiererin bemerkte mein Gespraech und guckte mich etwas enttäuscht an. Ich jedenfalls war überglücklich, denn der Preis den ich nun zahlen brauchte, war deutlich niedriger, als alles was ich in den ganzen Foren gelesen hatte. Das schöne war auch, dass es geschrieben auf einem Blatt Papier war, wodurch garantiert ist, dass ich auch den Rücktransport ganz legal drücken kann. Hach, ein guter Tag!

Das Moped wird verladen und ich begeben mich ebenfalls zum Zug. King Express, na wenn das nicht Stilecht ist.

Das Abteil ist recht geräumig. Ich teile es mir mit drei anderen Männern, wahrscheinlich alles Vietnamesen. Jedenfalls asiatisch. Zu einem Gespräch kommt es nicht mehr, alle drei legen sich sofort schlafen. Nur ich bin noch hell wach und starre an die Decke. Lesen, ich habe doch noch Bücher.

 

Abfahrt.