Fahrt nach Luang Prabang

 

Nachdem ich einige Tage in Phonsavan verbracht habe und einen Einblick in die tragische Geschichte dieses schönen Landes bekommen habe, brauche ich nun einen kulturellen Kontrast. Luang Prabang ist berühmt als die älteste erhaltene Tempelstadt in Südostasien. Gerade weil Luang Prabang in der Historie so oft neu erobert und zerstört wurde, einigte man sich während des zweiten Indochinakrieges stillschweigend darauf Luang Prabang nicht zu boambadieren. Die umliegende Umgebung soll es dafür umso mehr getroffen haben. Luang Prabang selbst soll mir demnach die Möglichkeit geben können eine vom Krieg unbefleckte Darstellung seiner Geschichte zu zeigen. Ich bin gespannt.

Vor mir liegen heute 270 Kilometer, meine bisher längste Tagesstrecke. Die ersten 50 Kilometer gestalten sich als recht entspannt. Ich fahre durch die Ausläufer von Phonsavan und den umliegenden Orten. So langsam wird es bergiger und kühler. Pullover und Regenjacke sind zweckmäßig. Regen habe ich zwar glücklicher Weise keinen, doch auch als Windjacke macht sie einen guten Job. Auf den Grundstücken links und rechts sehe ich ab und an alte Bomben liegen. Besonders dekorativ finde ich das zwar nicht, aber die Laoten werden wohl ihre eigene Beziehung zu den Bomben entwickelt haben. Umso höher ich in die Berge komme, desto uriger werden die Dörfer. Steinhäuser sieht man quasi keine mehr. Die Häuser sind aus Holz und stehen auf mächtigen Baumstämmen. Viele der Häuser sehen wirklich sehr hochwertig und gemütlich aus. Im Kopf schmiede ich Pläne, wie mein Traumhaus aussehen könnte. Hier in Laos ist der Stelzenbau aus einer Notwendigkeit entstanden. Auf diese Weise schafft man es das Getier aus dem Haus zu halten. In Deutschland haben wir mit giftigen Spinnen und Schlangen eher weniger Probleme. Dafür würde ein Stelzenhaus aber einen super Carport abgeben. Mit diesen Gedanken fliege ich durch die Lande. Inzwischen bin ich mittendrinn in den Bergen. Serpentinen sind meine Freunde geworden. Zwar gibt es immer noch unzählige Schlaglöcher, doch die Straßen machen Spaß und der Ausblick ist gigantisch. Die Vorstellung hier mit einem Reisebus langfahren zu müssen, in dem man keine Handhabe mit Fliehkräften hat, in dem man nicht anhalten kann und in dem man nicht den Fahrtwind spürt, wäre nicht meine. Ich bin froh die Shadow hier zu haben. Hier gehört die Straße nur mir. Obwohl Plätze zum Anhalten auch mit der Shadow eher spärlich sind. Zur einen Seite habe ich meist direkt eine Felswand und zur anderen die Leitplanke. Dazwischen nur Straße und dahinter nur Abgrund. Möglichkeiten zum Fotos machen sind daher eher selten. In einem Kleinem Ort halte ich an. Inzwischen ist es Mittagszeit und ich habe heute noch nichts gegessen, geschweige denn ausreichend getrunken. An einem gemütlich aussehenden Straßenimbiss werde ich fündig. Wie so oft gibt es Nudelsuppe. Auch wenn man dieses Gericht praktisch überall bekommt, schmeckt es doch jedes Mal anders, aber nach meinem Empfinden immer gut. Auch wenn ich nicht immer eindeutig sagen kann, was genau in der Suppe alles drin ist. Ob ich es wirklich wissen möchte … eigentlich nicht. Allergien habe ich keine, zumindest keine, die mir bekannt sind, die Menschen hier sehen alle gesund aus und das Essen schmeckt. Mehr muss man im Grunde doch nicht über sein Essen wissen.

Eine Besonderheit ergibt sich dennoch mit dem Essen. Jedoch ist nicht das Essen selbst, welches meine Aufmerksamkeit erregt, es ist der Löffel, der mit der Suppe gereicht wird. Man könnte den Löffel drehen und wenden wie man möchte, auf ihm ist kein Hersteller eingraviert. Auf der Oberfläche kann man noch gut kleine Bläschen erkennen, die sie beim Gießprozess mit in der Gussform angesiedelt haben. Mein Löffel war früher mal Teil einer Bombe. In einem Buch in Phonsavan habe ich Bilder gesehen, wie Leute Aluminiumteile der Bomben einschmelzen und aus ihnen alltägliche Dinge wie diese Löffel herstellten. In der DDR war der Leitspruch für ein friedliches Abrüsten „Schwerter zu Flugscharen“, hier weniger friedlich ist es quasi „Bomben zu Löffel“. Mit Andacht esse ich meine Suppe. Während ich dort sitze und esse, passiert eine Sache, die mir schon des Öfteren aufgefallen ist und bei der ich mir nie sicher bin, ob es Zufall ist oder nicht. Häufig halte ich an einem Imbiss und bin zu Weil zunächst der einzige Gast. Während ich dort sitze kommen allerdings meist noch viele weitere Gäste. In der Regel nicht einheimische. Nun weiß ich nicht, ob es an mir liegt? Ist es Zufall. Denken Leute vielleicht, dass wenn ein Westler sich für einen Imbiss entscheidet, dann muss dieser gut sein? Vielleicht steht dieser sogar im Lonely Planet? Eventuell bilde ich mir das auch alles nur ein. Jedenfalls halten auch dieses Mal wieder einige Autos an dem Imbiss, an dem ich gerade sitze und andere Imbisse schräg gegenüber bekommen keinen einzigen Gast ab.

Mittlerweile habe ich meine einsame Straße verlassen und bin nun auf einer anderen Landstraße. Wenigstens genauso schön, jedoch gesellen sich nun auch einige LKWs zu mir. Viele von ihnen sind krumm und schief. Bei einigen fährt das Hinterteil schräg versetzt zum Fahrerhaus. Vermutlich hat ein Schlagloch einmal zu heftig an der Hinterradachse gezerrt und nun ist alles krumm und das Auto fährt nicht mehr gerade aus. Überholvorgänge werden dadurch noch Mals Intensiver, wenn das zu überholende Fahrzeug eh schon 1 ½ Spuren einnimmt und man auch auf den wenigen geraden Abschnitten den Gegenverkehr kaum einsehen kann. Etwas irritierend finde ich zunächst auch, dass die neue Landstraße häufig nass ist. Am Himmel ist nicht eine Regenwolke zu sehen und meine vorherige Straße war pups trocken. Nach einer Weile fällt mir jedoch auf, dass es die LKWs sind, die die Straße nass machen. Wegen den häufig steile Anstiegen und Abfahrten, haben die LKW-Fahrer sich Wasserkühlungen an ihre Bremsen gebaut. Für mich heißt es also noch Mals vorsichtiger fahren.

 

In einer Kurve passiert es dann aber doch. Langsam, quasi mit minimaler Lehnung fahre ich in die Kurve hinein. Das Vorderrad bricht aus in Rutsch zur Seite. Plötzlich wieder Gripp und die Shadow schmeißt sich auf die andere Seite und mich auf die Straße. Etwa fünf Meter rutschen die Shadow und ich auf dem Asphalt entlang, bis wir jeweils zum Stehen kommen. Erschrocken und krampfhaft versuchend zu verstehen, was grade passiert ist, sammele ich mich vom Boden auf. Die Straße ist spiegelglatt. Als wäre sie vereist. Vorsichtgen Schrittes schlittere ich zur Shadow und ziehe sie von der Straße herunter. Augenscheinlich war diese Kurve trocken, doch mit dem Wasser spülen die LKWs scheinbar auch alle mögliche Öle auf die Straße. Zum ersten Mal ist mir etwas mulmig. Kurzer check an mir selbst. Alles Ok. Das Knie hat ein paar Kratzer, was bei der kurzen Hose zu erwarten war, aber der Rest ist heile, was mich mehr als verwundert. Ich bin fünf Meter auf den Ärmeln und Schultern meiner dünnen Regenjacke über eine Asphaltierte Straße gerutscht und es ist alles heil! Die Straße war so glatt, dass praktisch keine Reibung herrschte. Die Shadow hat den Aufprall jedoch weniger gut weggesteckt. Der Scheinwerfer ist gebrochen, ein Blinker ist kaputt, einen Spiegel hat es komplett entschärft, eine Fußraste ist nach hinten gebogen und so richtig grade steht der Lenker auch nicht mehr zu Vorderrad. Mit einem kräftigen Ruck drücke ich Vorderrad und Lenker wieder in eine halbwegs vernünftige Position. Beim Scheinwerfer ist zum Glück nur das Gehäuse gebrochen, die Birne selbst funktioniert noch. Mit etwas Gummiband, welches ich zum Befestigen meiner Handyhalterung abgezweigt habe, knote ich das Scheinwerfergehäuse wieder zusammen. Leicht desillusioniert mache ich mir bewusst, dass der restliche Teil der Strecke kein Zuckerschlecken wird. Ich habe noch 70 Kilometer vor mir und es wird gerade dunkel. Das heißt zwei Stunden in der Dunkelheit auf schlechten Bergstraßen. Zögernd trete ich die Shadow an und rolle wieder auf die Straße. Die Dunkelheit hat mich eingeholt. Mein Scheinwerfer leuchtet zunächst nur gen Himmel. Es dauert eine Weile bis ich das labbrige Gehäuse in eine Stellung gedrückt habe, die mir Tatsache etwas Licht auf die Straße bringt. Es nützt alles nicht, das Licht ist eine Katastrophe. Ich halte an und krame meine Stirnlampe aus dem Rucksack. Ein Satz neue Batterien sollten reichen um die restlichen zwei Stunden bei voller Lichtleistung zu fahren. Es ist erschreckend, wie viel heller die Stirnpalme ist. Ein positiver Nebeneffekt ist, dass ich mit der Lampe auch die Kurven viel besser einsehen kann. Mit dem Scheinwerfer als Abblendlicht und der Stirnlampe als Fernlicht fahre ich langsam weiter durch die Berge. Langsam und vorsichtig. In einigen Kurven teste ich mit dem Schuh aus wie griffig der Straßenbelag gerade ist. Meist ist er griffig, doch einige Male ist er wieder erschreckend rutschig. Ich nähere mich Luang Prabang. Noch 10 Kilometer, dann ist es geschafft. Der Asphalt endet häufig erprobt. Übrig bleibt eine Lehmpiste mit unzähligen riesigen Schlaglöchern. Am Tage mag das sicherlich kein Problem darstellen, doch in der Nacht ist das kein Spaß. Vor allem nicht, weil mir jetzt auch ständig Pickups mit Fernlicht entgegenkommen. Für viele Meter fahre ich häufig blind. Versuche ihnen so gut es geht selbst entgegen zu leuchten, auf das sie merken, dass sie mich völlig ausblenden. Meist ohne Erfolg. So fahre ich mit steifen Armen und rechne jede Sekunde damit, dass ich gleich in ein tiefes Loch fahre und der Lenker versucht sich aus meinen Händen zu reißen. Endlich sehe ich Lichter einer Stadt. Ich bin Glücklich aber auch völlig erschöpft, als ich in Luang Prabang einrolle. Einmal muss ich noch nach dem Weg zum Hostel fragen, aber dann stehe ich endlich vor dem Schild, Sa Sa Lao. Angekommen.