Luang Prabang Teil 2
Mein Plan für Luang Prabang war ganz schlicht und einfach etwas zu entspannen. In den letzten Wochen war ich recht viel unterwegs, habe sehr viel gesehen, aber kam auch nicht wirklich zur Ruhe. Laut Reiseführer soll Lunag Prabang eine kleine Oase sein, also möchte ich hier wieder etwas auftanken. Eingemietet habe ich mich im Sa Sa Lao. Normalerweise lege ich weniger Wert auf die Unterkunft und daher spreche ich auch weniger Empfehlungen für bestimmte Hostels aus, aber das Sa Sa Lao ist schon wirklich sehr hübsch gelegen. So hübsch, dass ich mich gleich für mehrere Tage eingemietet habe. Nach der langen Fahrt ist der erste Abend reichlich unspanned. Ich bestelle mir nur noch etwas aus der hauseigenen Küche, trinke dazu ein großes Bier und erfreue mich am schön ausgeleuchteten Garten mit seinen vielen Pavillons. Das Bett ist Ok und das Badzimmer sieht auf den ersten Blick besser aus, als es letztendlich ist, aber es genügt und wegen dem Badezimmer bin ich ja nicht hier. Am nächsten Tag laufe ich zum ersten Mal in die Stadt. Der Weg bis zum Stadtzentrum zieht sich zwar ziemlich, aber ich hatte heute echt keine Lust auf Moped fahren. Laufen tut mal ganz gut.
Mit der Kamera in der Hand schlendere ich durch die Straßen und kann mich nicht wirklich dazu entschließen ein Foto zu machen. Der Reiseführer hatte es in einem gesonderten Text schon angekündigt, dass der Tourismus die Stadt erobert hat, so sehr, dass die UNSECO überlegt die Benennung zum Weltkulturerbe eventuell sogar wieder zurück zu nehmen. Ohne es wirklich nachgeprüft zu haben, war meine Wahrnehmung zur Bevölkerungsverteilung in Luang Prabang, dass ein Drittel Touristen aus Europa waren, ein Drittel chinesische Touristen und das letzte Drittel waren Laoten, die zum größten Teil für den Tourismus arbeiteten. Alles in allen leider nicht das, was ich erhofft hatte dort zu finden. Tempel habe ich keine fotografiert. Zwar sahen sie alle wirklich sehr liebevoll restauriert aus, jedoch störten mich die Massen an Touristen, wie sie sich wenig respektvoll und entgegen jeglicher angebrachter Kleiderordnung, sehr freizügig, durch jedes vorhandene Motiv pressten. Die Fotos hätten höchstens einen dokumentativen Charakter über den Tourismus in Laos, aber es wären alles keine Fotos, die ich mir in ein Album packen würde mit den Worten „schick, wa?“, also habe ich es sein gelassen und keine Fotos von Selfiestick bewaffneten Touristen vor Pagoden geschossen. Ganz unfruchtbar war der Tag jedoch nicht, ich habe zwei Fotos von einer Katze gemacht.
Am Abend bin ich dann wieder in die Stadt rein gelaufen um den legendären Nachtmarkt und seine Fressmeile zu suchen. Auch wenn mich Luang Prabang tagsüber nicht wirklich vom Hocker gehauen hat, konnte es mich dann nachts doch noch für sich gewinnen. All die alten französischen Kolonialbauten, die neben den zahlreichen Pagoden das zweite Gesicht Lunag Prabangs prägen, zeigten in der Nacht ihre wahren Schönheiten. Die meisten der Gebäude waren prachtvoll ausgeleuchtet und zeigten Details, die im Lichtchaos des grellen Tageslichtes einfach nur untergingen. Der Nachtmarkt war grell, laut, gespickt mit vielen Gerüchen und ziemlich überlaufen. Aber es passte alles zusammen. Im Grunde fühlte es sich an wie in einer Medina, die ohne Menschenmassen auch nicht das ist, was sie ist. Die Fressmeile war eine kleine Seitenstraße in der ein unglaublich langes und vielseitiges Buffet aufgebaut war. Überall saßen Menschen aßen, tranken und quatschten. Ich war mit einem Mädel aus dem Hostel unterwegs, Sarah. Sie war Vegetarierin und machte sich gleich über die fleischlosen Salate her. Tatsache sahen die wirklich gut aus und da ich den Hühnchengerichten dort weniger Vertrauen entgegenbringen konnte, schloss ich mich ihr an. Ich aß wirklich sehr viel, auch wenn ich mir nicht sicher war, ob die Salate ein leichtes prickeln hatten, oder ob das nur Gewürze sind und ich mir das einbilde. Nach dem Essen ging es dann in die Marktstraße. Wer noch nichts gefunden hatte um sein Eigenheim zuhause oder sich selbst zu verschönern, der wurde hier fündig. Angeblich waren alle Produkte aus lokaler Produktion, was ich spätestens nach dem dritten Stand mit denselben Produkten anfing zu bezweifeln.
Zwischendurch sind wir dann aber vom Markt wieder abgebogen und hoch auf den Mount Phousi gestiegen, der direkt im Zentrum Luang Prabangs liegt. Vor allem nachts, wenn der ganze Stadtkern leuchtet ist, ist die Aussicht vom Berg wirklich beeindrucken. Oben, am Gipfel, fanden wir dann auch überall kleine geflochtene Käfige. In ihnen waren vorher Vögel, die man kaufen konnte, um sie oben auf dem Berg wieder frei zu lassen. Tagsüber ein scheinbar florierendes Geschäft. Da die Vögel letztendlich nicht wirklich frei sind, sondern für den nächsten Kunden wieder eingefangen werden, habe ich dazu eine geteilte Meinung. Dennoch ist es ein Ritual das die Menschen hier glücklich macht und somit hat es in gewisser Weise sicherlich auch seine Berechtigung. Auch wenn ich die meisten Rituale nicht wirklich nachvollziehen kann.
Bekannt ist der Mount Phousi aber weniger wegen seiner guten Aussicht, sondern mehr, weil sich dort auch der wahrhaftige Fußabdrucks Buddhas befinden soll. Noch son Ding, mit dem ich mich schwer tue wirklich daran zu glauben. Dennoch, die gigantische Vertiefung in dem Felsen schaut wirklich sehr stark nach einem Fußabdruck aus. Den Dimensionen zur Folge muss Buddha unglaublich groß gewesen sein. Also nicht nur geistig. Wieder in der Stadt angekommen sind wir dann zum Wat Xieng Thong, den wohl berühmtesten Tempel in Luang Prabang, vllt sogar in Laos gegangen. Tagsüber völlig überlaufen ist er abends sehr schön ruhig anzusehen. Errichtet im 16. Jahrhundert gehört er nicht nur zu den ältesten Tempeln in Laos, sondern wohl auch zu den schönsten. Wiedermal musste ich mich aber dabei ertappen, dass ich ein ziemlicher Kulturbanause bin und stand unwillig zu fotografieren vor den Tempeln. Ich hatte alles bei. Stativ, Weitwinkelobjektiv, jede Menge ruhe. Außer Sarah, aus dem Hostel, und mir war da niemand. Eigentlich perfekt. Jedoch kam in mir keine Begeisterung auf viel Mühe aufzubringen ein schönes Bild dieser Tempel zu schießen. Ich merkte, dass es weniger die Orte sind, an denen Religionen ausgeübt werden, die mich interessieren, als mehr die Menschen, wie sie an diesen Orten ihrer Religion nachgehen. Wahrscheinlich weil dieses für mich schwer nachvollziehbar ist und deshalb eine gewisse Mystik in sich trägt. Pagoden, Tempel, Kirchen, oder allgemein Bauten in, oder an denen einer Religion nachgegangen wird, sind in meinen unweltlichen Augen meist nur ziemlich kitschige Gemäuer. Die Menschen sind es, die diesen Orten ihren Scharm geben. Also die religiösen, nicht die Touristen mit den Selfiesticks. So sind wir dann wieder abgezogen mit wenigen halbherzig geschossene Aufnahmen eines Stuhls. Am nächsten Späti hat sich Sarah noch ein Eis geholt und ich ein großes Bier. Jeder wie er glücklich wird. Anschließend ging es wieder zurück in den nächtlichen Tulmult.
Der nächste Tag war in erster Linie mit nichts tuen gestaltet, was gut war, weil ich genau das ja auch vorhatte. So verbrachte ich den halben Tag in einen der Pavillons und habe meine Versäumnisse an Grand Tour Folgen aufgearbeitet. Nachmittags ging es dann noch einmal mit der Kamera bewaffnet in die Stadt. Die Mission war es Mönche in ihrer natürlichen Umgebung zu fotografieren. Das war es ja, was ich fotografisch versucht habe zu finden in Luang Prabang. Jeden Morgen aufs Neue wollte ich eigentlich den berühmten Bettelzug der Mönche durch die Stadt fotografieren, jedoch war jeden Morgen die Motivation auch immer wieder auf ein Minimum zusammengeschrumpft. Luang Prabang ist Opfer seiner Gier geworden. Die Stadt wurde in den letzten Jahren zunehmend mehr für den Tourismus ausgelegt und dieser floriert auch zunehmend, jedoch ist der Kulturelle Preis ein hoher. Der morgendliche Bettelzug gilt inzwischen als dermaßen unangenehm touristisch überlaufen, dass die Mönche angeblich inzwischen überlegen diese Tradition auszusetzen. Bis sich gläubige ihren eigenen Traditionen abwenden bedarf es schon einiges. Daher war ich mir jeden morgen aufs neue unschlüssig, ob es angebrachter ist lieber liegen zu bleiben oder Teil dieser Touristen zu werden. Selbst wenn ich dem Sinn dieser Tradition nachkommen würde und wirklich etwas Reis an die Mönche spende, so würde ich ja trotzdem auch versuchen wollen diese Situation in Bildern festzuhalten und dann wäre ich doch wieder nur einer dieser vielen Touristen, die negativ auffallen. Entgegen meiner Natur habe ich mich dann jeden Morgen dazu überwunden nicht aufzustehen. Die friedliche Form der Rebellion. Demnach musste ich mein Glück zu einem anderen Zeitpunkt suchen, wenn keine Touristen auf Fotopirsch sind. Mittags, beim schlechtesten Licht. Egal. Angefangen mit eigen Bildern von einer Pagode dachte ich dann mein perfektes Motiv gefunden zu haben. In einen der Tempel saß ein Novize auf einem Geländer, angelehnt an einem Pfeiler, spielte mit seinem Handy und hörte Musik. Die weißen Ohrstöpsel standen dabei in einen schönen Kontrast zu seiner leuchtend orangenen Robe. Das Licht war trotz der Nachmittagszeit gar nicht so schlecht, was nicht passte war mein Bildausschnitt. Also ging ich auf das Tempelgelände in der Hoffnung dort einen Ort zu finden, an dem ich ihn fotografieren konnte, ohne, dass er sich dabei von mir belästigt fühlt. Jedoch kam es dann doch etwas anders als ich dachte. Als ich das Tempelgelände betrat winkten mich ein Paar junge Novizen zu sich heran und zeigten großes Interesse an meiner Kamera. So saßen wir dann etwa einer Stunde ein einem Tisch zusammen, haben uns mit Händen und Füßen über ihren Weg zum Mönch sein unterhalten. Völlig ungeplant und vor allem aber auch unbeschwert bin ich dann doch zu meinen Bildern gekommen. Als wir uns verabschiedet hatten war der andere Novize mit seinen Kopfhörern natürlich schon lange verschwunden. Auch wenn das ein schönes Motiv gewesen wäre, war ich höchst zufrieden mit den Erlebnissen bisher. Zur Dämmerung gab es dann noch eine Bootstour auf den Fluss und abends ging es dann wieder in die Stadt zur Fressmeile. Es gab wieder vegetarische Salate und dieses Mal war ich mir ziemlich sicher, dass diese beim Essen geprickelt haben. Die Bestätigung ließ nicht lange auf sich warten. Glücklicher Weise war ich dieses Mal mit Moped in der Stadt. Den Rest des Abends und weite Teile der Nacht habe ich dann wie ein wasserspeiender Wahl auf dem Klo verbracht. Den nächsten Tag verbrachte ich dann wieder vollständig in einer der Pavillons. Tee trinkend, in langen Klamotten mit Schüttelfrost bei 30° im Schatten. Abendbrot gab es dieses Mal nicht von der Fressmeile, sondern gut durchgebraten aus der Hostelküche.
Neuer Tag, neues Glück. Der Rindermagen hat sich scheinbar wieder erholt und so ging es zum ersten der zahlreichen Wasserfälle in der lokalen Nähe. Die Wasserfälle bei Luang Prabang sind nicht nur einfach ein Fels, an dem Wasser herunter plätschert, es sind skurrile wasserspielartige Wasserläufe, die sich durch die Wälder ziehen. Das weiche türkisfarbene Wasser erzeugt dabei eine Atmosphäre, die ich so bisher noch nicht gesehen hatte.
Erreichbar waren diese Wasserfälle nur per Boot und es war kurz vor Schließzeit. Das Licht an den Fällen war perfekt und ich hatte hin und rück zu ein Boot ganz für mich allein. Ziemlich luxuriös, aber auch ziemlich geil. Wieder zurück am Parkplatz angekommen haben die meisten der Fährmänner schon ihren Feierabend begonnen und sind zum Boule spielen übergegangen. Eine Art Nationalsport in Laos.
Die wenigen letzten Touristen waren schon lange weg und so war ich alleine mit einheimischen Laoten, die keinen Bock mehr darauf hatten mir irgendetwas zu verkaufen und die einfach nur noch ihren Feierabend mit ein paar Bier und Boule genießen wollten. Jackpot. Das 85mm Objektiv an die Kamera geflanscht und endlich das Laos eingefangen, was ich gesucht habe.
Zurück im Hostel angekommen parkten noch zwei weiter Honda Win Mopeds auf dem Parkplatz. Ohne die Eigentümer gesehen zu haben, verspürte ich sofort eine gewisse Sympathie. Schnell stellte sich heraus, dass die beiden zugehörigen ebenfalls deutsche waren. Sprachlich war es auch mal wieder eine willkommene Abwechslung deutsch sprechen zu können. So erzählten wir uns jeweils unsere Geschichten, wie wir die Motorräder von Vietnam nach Laos überführt haben und welche Grenzübergänge wir nutzten. Überraschender Weise ging es bei ihnen sogar über einen offiziellen Weg, ohne Schmiergeld und deutlich preiswerter. Relativ betrachtet hatte jedoch alles seine Vor- und Nachteile. Vorteil bei ihnen, sie hatten mehr Geld für Bier und Unterkunft gespart. Nachteil bei ihnen war, dass die Mopeds in ihren Einreisepapieren eingetragen wurde und dass sie zusammen mit diesen Laos wieder Richtung Vietnam verlassen mussten. Da sie das eh vorhatten störten sie sich wenig daran. Da meine Richtung aus diesem Land jedoch eine andere war sah ich zum ersten Mal einen Vorteil meines überteuerten Schmiergeldes. Mein Papa würde an dieser Stelle wieder seine Oma mit den Worten „alles Schlechte hat auch sein Gutes“ zitieren. Hat er glaube ich sogar auch gemacht. Zusammen mit den beiden Jungs ging es dann wieder Richtung Stadtzentrum. Fressmeile die dritte. Heute jedoch ohne Salate, sondern frisch gebratenen Fisch. No risk no fun! Die Wahl war eine Gute. Gefüllt mit Lemmon Gras war der Fisch super aromatisch. Für ausreichend Gesprächsstoff an unserem Tisch sorgte eine etwa 60 Jahre alte französische Frau, die uns von ihren Reiseerlebnissen in Myanmar berichtete. Leider waren diese gespickt durch viele nicht so schöne Erlebnisse. Seinen Status als nicht touristisch überlaufendes Land hat sich Myanmar auch zum Teil damit gesichert, dass es in manchen Regionen nach wie vor ein Bürgerkriegsland ist.
Am letzten in Luang Prabang Tag ging es dann noch zu den berühmten Kuang Si Wasserfällen. Die sind zwar ein absoluter Touristenmagnet aber dennoch ihren Besuch wert. Vergleichbar schöne Wasserfälle findet man nur wenige.
Luang Prabang ist nun für mich abgegrast. Dafür, dass ich zu Beginn erstaunlich wenig Begeisterung für diese Stadt aufbringen konnte, hat sie mir dann doch viele schöne Momente beschert. Ob ich noch einmal wieder komme? Nicht ausgeschlossen. Nächstes Ziel ist Muang Ngoi. Angeblich nach wie vor ein Geheimtipp. Das klingt doch genau richtig.