Nong Khiaw
Die französische Frau mit den schlechten Erfahrungen in Myanmar erzählte uns von einem wunderbar stillen Dorf nördlich Luang Prabangs, Muang Ngoi. Der Clou ist, dass Muang Ngoi nur per Boot zu erreichen ist und deshalb viel weniger Tagestouristen den Ort fluten. Zurück im Hostel hatte ich dann begonnen mich zu diesem Ort zu belesen. Einer der ersten Artikel die ich gefunden habe, trug den Titel „Als ich einmal nicht mehr weiterreisen wollte.“ (http://faszination-suedostasien.de/reiseziele/laos/90-muang-ngoi-neua). In dem wurde beschrieben, dass Muang Ngoi ein kleines Dorf am Wasser ist, abgeschnitten von der hektischen Außenwelt. Strom gab es nur wenige Stunden am Tag, Internet gab es gar keins. Nach dem lesen des Artikels war klar, das ist genau das, was ich suche.
Der Tag des Abschieds von Luang Prabang ist gekommen. Ziel für den heutigen Tag ist es nach Nong Khiaw zu kommen, von wo aus die Boote nach Muang Ngoi fahren. Sarah aus dem Hostel möchte auch nach Muang Ngoi und wir verabreden uns in Nong Khiaw einen Bungalow für die Nacht zu mieten. Letzte Nacht hatte Sarah noch schnell in der Stadt einen Bus gebucht und verlässt das Hostel heute schon recht früh. Da sie unseren Schlafplatz sicher wird, habe ich somit alle Zeit der Welt die 140 km ganz bequem herunter zu spulen. Mein erster Stopp an dem Tag war noch innerhalb Luang Prabangs. Die Karte zeigte mir, dass heute viel „nichts“ vor mir liegt und ich wollte sichergehen, dass das Moped keine Schwierigkeiten bereitet. Die Erfahrung mit dem Moped hat mir gezeigt, lieber einmal mehr das Moped durschweißen lassen, als einmal zu wenig und ganz so fit sah der Gepäckträger wieder einmal nicht mehr aus. Eine Werkstatt mit den bekannten learning by doing Personal ließ sich erwartungsgemäß schnell finden. Schnell war das Problem beschrieben und ein eifriger Mitarbeiter machte sich ans Werk. Der Chef war ein äußerst entspannter Mann, dem man ansehen konnte, dass er seinen Traumberuf gefunden hat und sehr stolz hinter seiner alten Drehbank stand. Ich habe einige Bilder von ihm gemacht, von denen leider viele nichts geworden sind, weil mein Fokuspunkt an den Rand gewandert war. Aber ein scharfes war dabei. Ich zeigte es ihm und er war sichtlich erfreut. Als ich nach getaner Arbeit seinen Mitarbeiter Geld geben wollte, winkte der Chef nur ab und signalisierte, dass es um sonst war. Ich habe, um dennoch eine kleine Geste zu zeigen, mein restliches Obst vom Vortag gestiftet, was den Tag unter der prallen Sonne sicherlich eh nicht so gut überstanden hätte.
Die Fahrt zeigte insgesamt wenig Neues. Die Landschaft war auch hier wieder wunderschön, die Straße war grauenhaft, teilweise fehlte sie auch völlig, aber ich war glücklich und fuhr wieder mit einem breiten Grinsen durch die zauberhafte Szenerie mit ihren in der Zeit stehen gebliebenen kleinen Dörfern. Ab und an, wenn die Straßenverhältnisse völlig absurd wurden, musste ich an Sarah denken, wie sie und die anderen Insassen in ihren klapprigen, stickigen Bus, an diesen Stellen umhergeschleudert werden. Son Moped ist schon was Feines.
Auf halben weg wurde es Zeit für Mittag. Getrunken hatte ich bisher auch recht wenig, Obst war ja auch keins mehr da, also alles in Allem ein guter Moment nach einem Straßenimbiss Ausschau zu halten. In einer Biege wurde ich dann fündig. Vor dem Imbiss waren einige Autos und zwei Fahrräder geparkt. Kundschaft ist ja bekanntlich immer ein gutes Zeichen für die Qualität des Essens. Auch wenn die zwei Fahrradfahrer sicherlich zu denselben spontanen Touristen gehörten, die nur eben etwas essen und für einen Moment der Sonne entfliehen wollten. Die zwei eifrigen Pedallisten waren ein sehr sympathisches Pärchen aus Deutschland, Annette und Fredl. Beide etwa um die 50, aber beide waren auch in beachtlich guter Form und voller Lebensfreude. Wir erzählten uns einige Reisegeschichten und Fredl berichtete aus seiner Zeit, wo er vor vielen Jahren schon einmal in Laos und Kambodscha war. Nachdem das Mittag verputzt war und keiner Ambitionen zeigte aufbrechen zu wollen, gingen wir dann direkt in Kaffeetrinken über und ich holte einen kleinen Kuchen aus meinem Rucksack, den ich auch noch am Vortag gekauft hatte. Irgendwann machten wir uns dann aber doch wieder auf dem Weg, verabschiedeten uns herzlich mit den Worten, vielleicht trifft man sich ja noch einmal zum nächsten Kuchen.
Es dämmerte schon leicht, als ich nach Nong Khiaw einfuhr. Sarah hatte mir gesagt in welchem Guesthouse sie den Bungalow buchen wird und so machte ich mich auf die Suche. Sarah war irgendwo unterwegs und die erste Person vom Guesthouse die ich zu greifen bekam war sichtlich überfordert mit mir und meinen Fragen nach Sarah und dem Bungalow. Nach einer Weile und einem Mitarbeiter später, konnte ich dann aber doch noch zugeordnet werden und mir wurde der Bungalow aufgeschlossen um wenigstens schon einmal mein Zeug ablegen zu können. Da Sarah nicht zuhause war, die Sonne gerade unterging und der Ort beim flüchtigen durchfahren sehr nett aussah, griff ich nur schnell meine Kamera und machte mich wieder raus auf die Straße. Noch aufm dem Gelände der Guesthouses kamen ein Paar Kinder auf mich zu gerannt und zeigten reichlich Interesse an meiner Kamera und hatte sichtbar viel Spaß beim Posieren. Ich war mir sicher, das machen die nicht zum ersten Mal. Aber es war super und sie haben sich sehr gefreut, als ich ihnen dann ihre Bilder zeigen konnte.
Der nächste Weg war rein organisatorischer Natur. Ich ging hinunter zum Hafen und machte mich schlau, zu welchen Zeiten die Boote verkehren. Preislich habe ich mich auf einen saftigen Abschlag eingestellt, der überraschender Weise erstaunlich niedrig ausfiel. Ich musste zwei Mal auf die handgeschriebene Tabelle schauen um mich zu vergewissern, dass die einstündige Bootsfahrt umgerechnet wirklich nur zwei Euro kosten würde. Hallo Laos, ich mag dich.
Gut gelaunt bin ich dann wieder hoch in die Stadt und habe passend zur Feierabendstimmung wieder ein Paar Boule Spieler gesichtet. Leute beim Boule spielen zu beobachten hat seit dem Wasserfallbesuch etwas Bezeichnendes. Die Leute sind dabei wirklich sie selbst. Niemand gibt mir das Gefühl mich als Touristen wahrzunehmen, alle sind viel zu konzentriert auf ihr Spiel. Alle sind völlig natürlich. Ich setzte mich an den Rand und beobachte eine Weile, bevor ich anfange ein paar Bilder zu schießen. Direkt neben dem Spielfeld wurde ein Pavillon aufgebaut. Scheinbar ein Familienfest. Ein kleines Mädchen löst sich aus der Gruppe und kommt zu mir herüber. Ich hocke immer noch da und beobachte das Geschehen. Das Mädchen kommt zu mir, zupft mir am Bart und fährt mit ihrer Hand über meine Glatze. Ihre Mutti beobachtet die Situation und ist sichtbar peinlich berührt. Mit einem Glas und einer Flasche Bier kommt sie auch zu mir hinüber. Entschuldigung angenommen! Einer der Boule Spieler stellt sich als ihr Vater vor und lädt mich direkt zu sich an den Tisch der Feier ein. Mein Laotisch ist nach wie vor sehr schlecht ein sein Englisch war auch auf keinem besseren Stand. Trotzdem geben wir uns beide sehr viel Mühe ein kleines Gespräch zu führen und er erklärt mir was in welchem essen ist und wie man es isst. Dazu wird reichlich Bier eingeschenkt. Ich weiß nicht genau, wie lange wir dort saßen und aßen und tranken. Die Sonne war schon lange untergegangen und ich hatte keinen Überblick mehr bei dem wievielten Bier und Schnaps wir inzwischen angekommen waren. Da er trinktechnisch ja eh schon einen gewissen Vorsprung zu mir hatte, ist er inzwischen völlig am Ende. Ich bedanke mich bei der gesamten Familie für ihre Gastfreundschaft, helfe meinem neuem Freund noch einmal sicher zur Toilette und wieder zurück und verabschiede mich. Satt und betrunken torkele ich wieder Richtung Bungalow. Auf dem Weg begegne ich Sarah, die sichtlich erleichtert ist mich zu sehen, da ich scheinbar den einzigen Schlüssel für den Bungalow habe. Das wurde mir so nicht gesagt. Sie ist mit einer Freundin unterwegs, die sie um Bus kennen gelernt hat und erzählt mir, dass sie tagsüber beide oben auf einem Aussichtspunkt waren, von dem man aus das ganze Dorf sehen konnte. Wenn ich morgen noch etwas Zeit habe, soll ich dort unbedingt noch hochgehen. Da ich eigentlich eins der ersten Boote nehmen möchte und so angetrunken noch nicht bereit war für das Bett ließ ich mir den Weg dorthin beschreiben und wog ab noch an diesem Abend dort hoch zu gehen. Sarah wirkte sehr angetan von ihrer neuen Freundin und ich war mich nicht sicher, ob ich die Zeichen richtig deute. Sie wollten jetzt etwas essen und trinken gehen. Essen und Trinken war das Letzte wonach mir grad war und wenn ich in meinem Tran nicht falsch lag, wollten sie vielleicht eh lieber unter sich sein. Vielleicht hatten sie aber auch einfach nur keinen Bock auf die Gesellschaft eines betrunkenen Typens. Nach dem ganzen Tag im Sattel ist ein bisschen Bewegung eh nie verkehrt. Ich holte noch schnell das Stativ aus dem Bungalow, übergab den Schlüssel und machte mich wieder los.
Am Sockel des Aufstiegs befindet sich die etwas andere Art des Warnhinweises. Dort liegt eine ausgewachsene Clusterbombe aus dem zweiten Indochinakrieg mit der Aufschrift „Nong Khiaw, one oft the most bombing area in Lao“. Na wer jetzt nicht Bock auf wandern hat, der macht doch irgendetwas falsch. Auf geht’s in die Dunkelheit. Eine Stirnlampe mit schwachen Batterien sollte ja eigentlich genügen und wenn ich zwischendurch doch mal über etwas stolpere, bekommen es die andere ja auch mit. Also kein Grund dort nicht allein hoch zu gehen.
Der Aufstieg war dann doch ansträngender als ich es zunächst vermutet hatte. Kurz hinter der Warnhinweisbombe stand ein Schild mit der Angabe: 45 Minuten bis zum ersten Aussichtspunk und 1 ½ Stunden bis zum Gipfel. Na wenn schon dann nach oben. Nach einer halben Stunde musste ich mich dann doch kurz Mal hinsetzten und pausieren. Wenn das Tatsache erst ein Drittel des Aufstiegs gewesen sein sollte, hatte mich meine Höhenwahrnehmung doch ziemlich verlassen. So hoch sah der Berg vom Dorf aus nicht aus. Weiter ging es. Der Alkohol war inzwischen erfolgreich ausgeschwitzt und Hunger kam auch schon wieder. All die ganze Gastfreundschaft so respektlos wieder verbrannt. Nach 45 Minuten kam dann die Erkenntnis, dass meine Höhenwahrnehmung noch hervorragend funktionierte. Meine Beine schienen sogar noch gar hervorragender zu funktionieren, denn ich habe den mittleren Aussichtspunkt scheinbar unbemerkt überflogen und bin in den 45 Minuten direkt bis Hoch auf den Gipfel gestürmt. Heut ist mein Tag!
Die Aussicht war erstklassig. Vor mir Lag das Dorf, leuchtend und gehüllt in leichten Nebel. Der Fluss schlängelt sich durch den Ort und die umliegenden Berge wurde mit einem diffusen Licht des Dorfes ausgeleuchtet. All die Zeit dich ich beim Aufstieg eingespart habe, habe ich mehr als doppelt oben auf dem Gipfel, einfach nur stumpf glotzend, wieder relativiert. Der Abstieg war sehr entspannt. Zwischendurch war ich mir zwar ein paar Mal nicht so sicher, ob ich an den Punkten auch auf dem Aufstieg vorbeigekommen war, aber es gab ja nur diesen einen Weg. Die physikalische Erklärung wäre sicherlich gewesen, dass das Bild beim Aufstieg verzerrt war, weil ich ja so schnell unterwegs war. Vielleicht war ich auch einfach nur unglaublich unaufmerksam.
Im Bungalow angekommen lag Sarah schon im Bett. Für mich ging es nur noch fix unter die Dusche und anschließend auch in die horizontale.
Am Nächsten Morgen habe ich den Schlüssel des Bungalows wieder zur Rezeption gebracht und gefragt, ob ich das Moped hier noch stehen lassen könnte, solange ich in Muang Ngoi bin. Es wären nur etwa zwei Tage.
Anschließend ging es zum Hafen. Das Ticket für zwei Euro ist gekauft und mein Platz auf den ersten Boot gesichert. Etwa fünf Minuten vor der geplanten Abfahrtszeit kamen vier Boote am Steg an. Zwei sollten nach Muang Ngoi fahren und die anderen beiden zu einem Ort, der deutlich weiter nördlicher lag. Die Orte sagten mir jedenfalls nichts und auch mein Navi war unwillig mir eine Information zu geben. Die Preise dieser beiden Boote lagen jedoch bei umgerechnet etwa 20€, was einen vergleichsweise bis nach Zentralchina bringen könnte. Nicht heute. Ich zeigte mein Ticket einen der Kontrolleure und dieser deutete dann auf eines der vier Boote. Äußerlich sahen die Boote alle gleich aus und auf meinem Ticket konnte ich nirgends die Worte Muang Ngoi erkennen. Was alles auf dem Ticket geschrieben stand konnte ich eh nicht entziffern, da nur der geringste Teil in lateinischen Buchstaben geschrieben war. Sarah saß in einem anderen Boot. Wird schon alles richtig sein.
Abfahrt.